MENSCHEN

„Die bessere Tankstelle der Zukunft“

Einer der besten Elektroauto-Ladeparks der Welt steht im nordrhein-westfälischen Hilden, 15 Kilometer östlich von Düsseldorf. Beim Ortsbesuch erzählt Gründer Roland Schüren der PROFIL, was an seinem Ladepark so besonders ist, warum Nachhaltigkeit Spaß macht und was das alles mit seinem Brief an Elon Musk zu tun hat.

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In den Google-Bewertungen überschlagen sich die Rezensenten mit ihrem Lob: „So muss ein Ladepark sein“, „versteckter Schatz“, „so macht E-Mobility Spaß“. Gemeint ist „Seed & Greet“ am Kreuz Hilden, wo sich in der Metropolregion Rhein-Ruhr die Autobahnen 3 und 46 treffen. Bei der Abstimmung einer britischen Medien-Plattform und eines amerikanischen Industrietechnologieunternehmens landete der Ladepark im Mai auf dem dritten Platz der „besten EV-Hubs der Welt“. Laut Inhaber Roland Schüren ist sein Elektroauto-Knotenpunkt der am stärksten frequentierte Schnellladepark in der gesamten EU. 

107 Ladepunkte sind auf dem Gelände unter einem Dach aus Solarpaneelen installiert, darunter 40 Supercharger von Tesla (bis zu 250 kW), 22 Schnellladepunkte von Fastned (bis 400 kW) sowie AC-Ladeplätze mit 7 und 22 kW. Zufällig dürften die wenigsten Autofahrer das Gelände ansteuern, denn abgesehen davon, dass der Ladepark recht versteckt im Gewerbegebiet liegt, gibt es hier ausschließlich Lade­infra­struktur – keine Tankstelle wie an anderen Knotenpunkten. Dafür kann auch der Mensch hier Energie aufladen: In einem kleinen Bistro bietet die regionale Bäckerei Schüren von Pizza über Bowls bis zu Brötchen, Kuchen und Eis Stärkendes für die Ladepause. 

MUTIGE ZUKUNFTSVISION
Bäckermeister Roland Schüren, der den Familienbetrieb in vierter Generation führt und selbst seit zwölf Jahren begeisterter Elektroauto-Fahrer ist, hat „Seed & Greet“ mit zwei weiteren Investoren – ebenfalls E-Auto-Fahrer – gegründet. „Die bessere Tankstelle der Zukunft“, nennt Schüren das Konzept, das vieles vereint, was sich ein E-Auto-Fahrer aus eigener Erfahrung an einer Ladestation wünscht: Ein Dach über den Ladesäulen, gesundes Essen, saubere Toiletten, kostenlos Luftdruck und Staubsauger. 

„Solarstrom in die Autos laden ist wie Salat aus dem eigenen Garten essen.“

Roland Schüren
Bäckermeister und Betriebswirt

Auch die Bäckerei Schüren setzt auf Nachhaltigkeit bei Fahrzeugflotte, regionalen Rohstoffen und der Backstube mit fortschrittlichem Energiekonzept. Mehr dazu erfahren Sie HIER.

„Es fing damit an, dass ich Elon Musk ganz naiv einen Brief geschrieben habe, das war 2013.“ Darin enthalten waren Schürens Ideen zur Bäckerei als bessere Tankstelle der Zukunft. Eine Antwort habe er nie erhalten, aber nach einem Fachvortrag zu genau diesem Thema sei ein Tesla-Manager auf ihn zugekommen, daraus sei die Kooperation entstanden. 

Obwohl bei unserem Besuch am späten Montagnachmittag etwa ein Viertel der Ladeplätze belegt sind, herrscht nicht die übliche geschäftige Tank­stel­len-Hektik von anfahren, Türenklappen, tanken, zahlen, abfahren. Fahrer diverser Tesla, Opel Mokka und Audi Q4 E-Tron mit Nummernschildern aus Dortmund, Berlin oder Madrid kommen an, stöpseln ein, gehen ins Bistro, machen hinter dem Steuer ein Nickerchen oder genießen die Sonnenstrahlen auf einer der Sitzgelegenheiten.   

Notgedrungen könnte man auch sagen, schließlich dauert das Auffüllen schon länger als ein Tankstopp. Allerdings mitunter nicht wesentlich: E-Autos mit 800-Volt-Ladetechnik wie Porsche Taycan, Audi E-Tron GT oder Hyundai Ioniq 5 benötigen für das Aufladen von 10 auf 80 Prozent am 300-kW-Lader weniger als 20 Minuten.   

Insgesamt 107 Ladepunkte für verschiedene Steckertypen und Ladegeschwindigkeiten stehen bei „Seed & Greet“ zur Verfügung. 

„Man fährt einfach los, wie mit jedem anderen Auto“, berichtet Schüren von seinen E-Erfahrungen. Habe man das Ziel ins Navi eingegeben, wisse das Auto, mit welcher Batteriekapazität man wo ankomme und wo es wie laden könne. Wenn man es einmal selbst gemacht habe, merke man, dass viele Vorurteile gegenüber E-Autos einfach nicht stimmten, vielmehr von bestimmten Interessengruppen gepflegt würden, sagt Schüren schulterzuckend.     

Wen er damit meint? „Ich fahre schon sehr lange elektrisch. Und ich habe mitbekommen, wie die Energiewende politisch ausgebremst worden ist, wie die Automobilhersteller extra kleine, teure E-Autos mit kleinen Batterien gebaut haben“, positioniert sich Schüren, der 2021 für die Grünen für den Bundestag kandidierte. Auf diese Weise sei die landläufige Meinung entstanden, dass E-Autos sich nur für die Stadt eigneten. „Das ist totaler Quatsch“, so Schüren. Ohne, dass er seine Stimme erheben muss, wird klar, dass ihn das Thema bewegt. „Auf der Langstrecke ist E-Mobilität viel interessanter, der positive Impact auf die Umwelt viel größer.“

Auf dem Dach eine Solaranlage, darunter können 107 Autos laden, mit bis zu 400 kW Leistung.


EINE INVESTITION, DIE SICH LOHNT
Seines Erachtens müsste die Politik sich klarer positionieren. „Wenn die Steigerungsstufen des CO₂-Preises stärker wären, könnte jeder, auch die Industrie, für sich erkennen: Ab dem Jahr xxxx lohnt sich für mich ein Umstieg.“ Er selbst hat sein Unternehmen diesbezüglich zukunftsfähig aufgestellt: Sein Fuhrpark ist fast komplett elektrisch, inklusive des alten VW Bulli-Bäckerwagens mit E-Antrieb und fünf elektrischen 3,5-Tonnen-Transportern, die er mit anderen Unternehmen und einem Fahrzeugbauer selbst entwickelte.     

Aus unternehmerischer Sicht lohne sich die Investition: „Die Betriebskosten sind immer günstiger beim Elektroauto“, sagt Schüren und ergänzt ein plakatives Bild: „Solarstrom in die Autos laden ist wie Salat aus dem eigenen Garten essen.“ Das Ziel, seine Bäckereien komplett selbst mit CO₂-neutraler Energie zu versorgen, hat Schüren nach eigener Aussage zu 99 Prozent erreicht.    


Zur Person

Roland Schüren
1966, verheiratet, zwei Kinder

Werdegang
1991
Eintritt ins Familienunternehmen

1998
Übernahme des Familienunternehmens

Seit 2018
Mitglied (ehem. Vorstand) „Grüner Wirtschaftsdialog“

Auszeichnungen (Auswahl)
2013: Top 3 dt. Nachhaltigkeitspreis
2015: Deutscher Solarpreis
2017: Sonderpreis im Rahmen des Effizienz-Preises NRW
2018: Bundespreis für Bakery Vehicle One, für hervorragende innovative Leistungen für das Handwerk
2022: Ladeport Award für„schönsten Ladepark“
Verkehrsgünstig liegt der Ladepark „Seed & Greet“ am Kreuz Hilden, wo sich in der Metropolregion Rhein-Ruhr die Autobahnen 3 und 46 treffen. 
Roland Schüren im Gespräch mit der PROFIL.

Sein Antrieb beim Thema Nachhaltigkeit: „Jeder typische Mittelständler möchte, dass sein Unternehmen an die nächste Generation übergeht. Da kommen Nachhaltigkeit und unternehmerisches Denken automatisch zusammen.“ Die Bäckerei merke zudem sehr intensiv den Klimawandel, etwa an der Qualität des Backgetreides.     

Von Verzicht will Schüren beim Thema Nachhaltigkeit nicht sprechen, „oder ist es Verzicht, beim Zähneputzen das Wasser nicht laufen zu lassen?“ Er betont lieber die positiven Seiten, wie beim Autofahren: „Ab und zu muss man einfach mal an der Ampel auf den Pin treten und einen Porsche stehen lassen“, grinst er und fügt hinzu: „E-Autos schreien auch nicht vor Schmerzen, wie ein Verbrennungsmotor das tut, wenn man ihn richtig tritt.“

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