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Im Alltag ist die im Vergleich zu einem Verbrenner geringere Reichweite von Elektroautos meist kein Problem. Aber was, wenn es auf die Langstrecke geht – Ausflug, Urlaub, Familienbesuch? Wie problemlos lassen sich 1.000 Kilometer hin und zurück an einem Wochenende absolvieren? Die PROFIL hat es getestet.

Früh los, wenig Pausen, zügig fahren, schnell da – das ist seit Jahrzehnten Glaubenssatz von vielen Autofahrern, die ihr Urlaubs- oder Ausflugsziel erreichen wollen. Das funktioniert mit einem Elektroauto nur bedingt: vor allem aufgrund der geringeren Reichweite und der längeren Ladestopps. Auch Themen wie Finden einer Ladesäule, Bezahlen, Angst vor dem Liegenbleiben und ein gewisser Nerv-Faktor, der mit dem Erlernen neuer Routinen einhergeht, beschäftigen viele Autofahrer. 

An Stammtischen, bei Diskussionen im Freundeskreis oder auf Social-Media-Plattformen kochen dazu häufig Emotionen hoch. Was ist dran an der Sorge, mit einem E-Auto werde die Langstreckenfahrt zur Tortur? Wir haben für Sie getestet, wie es ist, mit einem Elektroauto rund 1.000 Kilometer an einem Wochenende abzureißen. Damit der Praxistest unter realen Bedingungen stattfindet, haben wir auch zwei Kinder mitgenommen.

Stichwort Praxistauglichkeit: Ausgewählt haben wir für die Fahrt keines der (teureren) E-Autos mit besonders schneller Ladetechnik, sondern ein Fahrzeug mit normalen Parametern: den Hyundai Kona Elektro. Ein solides, 4,36 Meter langes Kompakt-SUV mit Platz für vier, 65,4-kWh-Akku und 218 PS, dessen Preis bei 45.000 Euro startet. An Schnellladesäulen, also zum Beispiel denen entlang der Autobahn, kann der Wagen mit bis zu 103 kW Leistung laden, an einer Normalladesäule mit bis zu 11 kW – das ist ausreichend, damit gehört der Stromer aber nicht zu den schnellsten im Segment.

25.291

... Schnellladepunkte gab es zum 1.3.24 in Deutschland. (Quelle: Bundesnetzagentur)

ROUTEN- UND LADEPLANUNG
Roadtrip-Ziel ist das Legoland Deutschland in Günzburg nahe Ulm, laut Kartendienst rund 500 Kilometer von unserem Standort in Köln entfernt. Beim Blick auf die Herstellerangabe von 454 Kilometern Reichweite – in der Praxis höchstens rund 400 Kilometer – wird klar: Mindestens einmal müssen wir nachladen. Zur Planung nutzen wir E-Auto-Routenplaner, bei denen man für die bessere Reichweiteneinschätzung das Fahrzeugmodell angeben kann, wie abetterrouteplanner.com und die App „Chargemap“. Ersterer plant mit zwei Stopps – damit es schneller geht, soll jeweils nur bis 60 Prozent geladen werden– letztere mit einem Stopp. Die Recherche entlang A3, A8 und Co. lässt aufatmen: Die Dichte der Ladesäulen an den Autobahnen ist beruhigend. 25.291 öffentliche Schnellladepunkte zählte die Bundesnetzagentur im März, knapp 8.000 mehr als noch ein Jahr zuvor.


Anzahl der öffentlichen Ladepunkte in Deutschland

Quelle: Statista/Bundesnetzagentur

Um am nächsten Morgen mit vollem Akku zu starten, stöpseln wir das Fahrzeug am Abend an einer Normalladesäule ein. Der Zugang ist einfach: Das Display der Ladesäule fordert zum Vorzeigen einer Ladekarte auf, wie etwa jene, die ACV Mitglieder kostenlos vom Anbieter Lichtblick bekommen. Ist die Säule freigeschaltet, werden Fahrzeug und Säule mit dem mitgebrachten Kabel verbunden.     

Preise haben wir in der App recherchiert; sie wären auch per QR-Code an der Säule abrufbar gewesen, ebenso wie die Zahlung per Kreditkarte. Achtung bei der Eingabe der Kreditkartendaten über einen QR-Code: Hier gibt es eine neue Betrugsmasche, siehe HIER.  Vier Stunden können wir zum Preis von 59 Cent pro kWh aufladen, dann fällt – wie derzeit üblich – eine happige Blockiergebühr von 10 Cent pro Minute (max. 12 Euro pro Ladevorgang) an. Vorzeitig umparken oder Wucherpreis riskieren? Was zu Stoßzeiten sinnvoll ist, sorgt nachts für unnötigen Frust.

Ein gutes Fahrzeugnavi übernimmt auch die Ladeplanung. Das ist sinnvoll, weil das Auto die Batterie dann auf optimales Laden vorbereitet.

MITSCHWIMMEN BEI ANGEPASSTEM TEMPO
Gänzlich entspannt hingegen ist am nächsten Morgen der Start auf die Langstrecke: Der Wagen fährt sich unaufgeregt. Vier Fahrmodi stehen zur Wahl, außerdem kann man die Rekuperationsstärke justieren. Mit seinen 218 PS fühlt er sich auch auf der Überholspur wohl – im Gegensatz zum Fahrer beim Blick auf die im Sekundentakt schmelzende Reichweite. Lektion gelernt: Der Ener­gie­verbrauch steigt bei zunehmender Geschwindigkeit überproportional, gleichzeitig können zusätzliche Ladestopps den etwaigen Zeitvorteil ins Gegenteil verkehren.

Es gilt, einen Kompromiss zu finden, wir fühlen uns mit einem Tempo zwischen 120 und 130 km/h wohl. Tatsächlich wäre eine höhere Geschwindigkeit auch nur auf einem kleinen Teil der Strecke möglich gewesen, aufgrund von Tempolimits, Baustellen sowie dichtem (Urlaubs-) Verkehr. Worüber wir uns sonst mit Sicherheit geärgert hätten, lässt uns elektrisch fahrend vollkommen entspannt bleiben – ein überraschender, positiver Nebeneffekt.    

Parallel haben wir das serienmäßige Navigationsgerät aktiviert, das Verbrauch, Batteriekapazität sowie Ladesäulen-Verfügbarkeit berücksichtigt und Ladestopps entlang der Strecke einplant – ideal für ein E-Auto-Navi. Die Aktivierung der Bordnavigation ist auch deshalb sinnvoll, weil das Fahrzeug die Batterie zum geplanten Ladevorgang vorkonditioniert, sodass besonders effektiv geladen wird. 

Das größte Sparpotenzial sitzt hinter dem Lenkrad – das bedeutet nicht, sehr langsam zu fahren, aber vorausschauend und gleichmäßig. 

FLEXIBEL BLEIBEN BEIM LADEN
Warum uns das Navi schon bei 31 Prozent Restreichweite von der Bahn schicken will, verstehen wir nicht. Denn generell gilt: Je leerer die Batterie, desto schneller lädt sie. Nach einem kurzen Check durch den Beifahrer – auch an den vor uns liegenden Abfahrten sind diverse Schnelllader vorhanden und frei – wählen wir einen entfernteren Rasthof, an dem es einen Mini-Freizeitpark gibt.     

Wer für bestimmte Pausen-Parameter nicht per Google Maps jede Ausfahrt absuchen will, kann in Apps wie „Charging Time“ Schnellladepunkte entlang der Route suchen und nach Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants oder Spielplätzen filtern. Zwar werden die Apps über Carplay im Zentraldisplay angezeigt, jedoch ist es sicherer, wenn ein Beifahrer derlei Recherche erledigt.   

Eine Vorab-Routenplanung, beispielsweise mit der App „Chargemap“ (vorne), hilft bei der Einschätzung der Ladestopps; hier kann man auch Parameter wie Batteriegröße, Verbrauch und Geschwindigkeit einstellen. Welche Annehmlichkeiten die Ladestationen bieten, kann man zum Beispiel mit der App „Charging Time“ erfahren – und in der Bezahlversion nach Restaurants oder Einkaufsmöglichkeiten filtern und den Belegungsstatus sehen.

Nicht immer stimmt die Belegungsanzeige, in unserem Fall schon: Am Schnelllader angekommen, weckt die im Wortsinn kinderleichte Bedienung dann Begehrlichkeiten („Darf ich, darf ich?“). Wir lassen uns von den Anweisungen auf dem Display durch die Aktivierung führen, dann wird das mit der Station verbundene Kabel mit Combo-2-Stecker (mehr dazu HIER) in die Ladebuchse am Auto gesteckt.     

Mit zunächst 54, dann 75 kW lädt die 150-kW-Säule, an der noch ein zweiter Stromer angeschlossen ist. 1 Stunde und 19 Minuten bis 100 Prozent wird pro­gnostiziert, jedoch planen wir ohnehin eine Auf­ladung bis 80 Prozent; die letzten 20 Prozent sind nur langsamer zu erreichen und spielen daher bei der Langstreckenfahrt eine untergeordnete Rolle.

Ladekarte anhalten, Freischaltung abwarten, Stecker ins Auto stöpseln – eigentlich ist Laden im Wortsinn „kinderleicht“. Swipen Sie durch die Bildergalerie, um den Ladevorgang Schritt für Schritt erklärt zu sehen. 

LADEPREIS-DSCHUNGEL
Schnellladen mit Gleichstrom (DC) an der Autobahn ist generell teurer als das AC-Laden an der Normalladesäule; der Markt ist in Bewegung, die Angebote sind mitunter verwirrend. Deshalb lohnt es sich, Konditionen zu vergleichen. Die App „Ladefuchs“ beispielsweise zeigt für den ausgewählten Ladesäulen-Betreiber an, mit welcher Karte/App der E-Mobilist die günstigsten Konditionen erhält. An unserer Säule schwankten die Preise für das sogenannte Roaming zwischen 51 und 96 Cent! Flexibilität mit mehreren Apps oder verschiedenen Ladekarten ist daher empfehlenswert. Für Vielfahrer gibt es bei den meisten E-Mobi­­li­täts­providern Ladesäulentarife mit Grundgebühr und dann deutlich geringeren kWh-Preisen. 

Für uns fallen 75 Cent pro kWh Strom an, was für die geladenen 47 kWh exakt 35,35 Euro ergibt. In die 50 Minuten, in denen der Wagen mit einer relativ stabilen Ladekurve sogar auf 90 Prozent lädt, passen zeitlich Essenspause, ein kurzer Abstecher auf den Spielplatz eines Fast-Food-Restaurants und der obligatorische WC-Besuch – zu anderen Aktivitäten kommen wir nicht mehr.

Schattenparken, um Reichweite zu sparen: Weil im Legoland keine Ladesäule frei ist, suchen wir uns ein schattiges Plätzchen, damit das Auto bei der Rückkehr nicht so stark heruntergekühlt werden muss – das kostet auch Energie.

REICHWEITEN-ANGST?
Am Legoland mit einem Ladestand von 32 Prozent angekommen, ereilt uns dann das Schicksal vieler E-Mobilisten: Die Ladesäule am Ziel ist dauerhaft besetzt. Vor der Rückfahrt am Ende des Wochenendes geht es daher doch noch einmal zum Schnelllader – der allerdings bei 79 Prozent Akkustand plötzlich eine Störung meldet. 

Natürlich wollen wir auch den Rückweg möglichst mit einer Ladepause bestreiten – ob jetzt doch noch die vielbeschworene Reichweitenangst kommt? Grundsätzlich gut zu wissen: Ihr ACV schleppt Sie bei leerem Akku bis zur nächsten Ladestation.  Und was es bei Fahrten mit dem E-Auto im Winter zusätzlich zu beachten gibt, können Sie in der PROFIL 1-24 nachlesen.

Als die Kilometer auf der Reich­wei­ten­anzeige zusammenschmelzen, bewahr­heitet sich, was auch für Verbrenner gilt: Das größte Sparpotenzial sitzt hinter dem Lenkrad. Vorausschauend fahren, mit den Rekuperations-Schaltwippen spielen und auf der Schwäbischen Alb bergabwärts im Segelmodus den Schwung nutzen – Energieeffizienz kann auch Spaß machen.

 NACHGEFRAGT

Was raten Sie E-Auto-Fahrern, Stefan Moeller?

Stefan Moeller, Mitgründer der E-Auto-Vermietung „nextmove“, fährt seit zwölf Jahren elektrisch, auch mit der Familie in den Urlaub in ganz Europa. Im Gespräch mit dem ACV verrät er die besten Tipps für vollelektrische Langstreckenfahrten.

Zum Interview

Laut Hyundai ist es sogar am effizientesten, das Auto bei zehn Prozent oder weniger zu laden. Jedoch nicht bei null, um eine Beschädigung der Hochvoltbatterie zu vermeiden. Um Puffer zu haben, fahren wir bei 12 Prozent schließlich einen größeren Ladepark an und laden in 40 Minuten auf 82 Prozent. Mit den 307 Kilometern Reichweite chauffiert uns das Fahrzeug ohne weiteren Stopp nach Hause. 

Der Durchschnittsverbrauch von 19 kWh/­100 km über die 1.000 Kilometer kann sich sehen lassen. Bei einer hälftigen Aufladung am Normal-/Schnell­lader (59/75 Cent) wären wir auf Kosten von 127,30 Euro gekommen; ein Benziner mit 7 l/100 km hätte uns 126 Euro (Literpreis 1,80 Euro) gekostet. Und natürlich hat das Laden Zeit „gekostet“, die wir für eine entspannte Pause nutzen konnten – vielleicht eine der Routinen, die es neu zu erlernen gilt. 

„Unser Praxistest zeigt: Elektromobilität ist auch auf der Langstrecke möglich, eine sorgfältige und effiziente Ladeplanung vorausgesetzt. Ein Hindernis bleibt die intransparente Preisgestaltung an den Ladesäulen. Um die E-Mobilität weiter zu fördern und für mehr Menschen attraktiv zu machen, sind klare regulatorische Vorgaben zur Preishöhe und -transparenz notwendig!“

Holger Küster
ACV Geschäftsführer

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