Offene Versuchungen aus 70 Jahren


Offene Versuchung aus 70 Jahren

Wer dem Himmel nah sein möchte, fährt Cabriolet. Wer gesehen werden will, sowieso. Stil, Jugend, Wohlstand, Gefühl – all das versprühen die offenen Blechschönheiten. Hier kommen die fünf wichtigsten Cabriolets der Automobilgeschichte.

Mercedes 190 SL (Bauzeit: 1955-1963)

EIN STÜCK HOLLYWOOD
Begonnen hatte die Geschichte des offenen Mercedes SL mit dem geschäftstüchtigen US-Importeur Max Hoffmann. Er überzeugte in den frühen Fünfzigern den Mercedes-Vorstand, neben dem 300 SL noch einen preisgünstigen Roadster für amerikanische Kunden anzubieten. Seine Serientechnik war schlicht; ein neu konstruierter Reihenvierzylinder mit 105 PS musste reichen, dazu profane Pendelachsen und Trommelbremsen.

Die zumeist weibliche Kundschaft in den Wirtschaftswunderjahren interessierte die Performance wenig. Sie schmolzen beim Anblick des Hollywood-SL dahin und schmückten sich mit ihm. Wohlhabende Fabrikantengattinnen ebenso wie gefeierte Leinwandstars. Es gibt Fotos von Gina Lollobrigida hinterm elfenbeinfarbigen Lenkrad, ebenso von Grace Kelly, auf dem Beifahrersitz Frank Sinatra. Der 190 SL kostete damals 16.500 Mark, ein Vermögen. Trotzdem werden 25.881 Exemplare gebaut, allein rund 18.000 gingen in die USA. Der 190er aber bleibt, auch als 1963 die filigranere Pagode übernimmt, das Ur-Meter aller SL.

Alfa Romeo Spider Duetto (Bauzeit: 1966-1970)

DAS KIND BRAUCHT EINEN NAMEN
Wie soll das Kind bloß heißen? Als der Alfa Spider am 10. März 1966 auf dem Genfer Autosalon zur Welt kam, fehlte es den italienischen Eltern bei der Namensgebung  an Fantasie. Einfach nur Spider? Der Volksmund daheim in Italien taufte den Sportwagen schnell auf „Osso di Sepia“, übersetzt so viel wie Tintenfisch-Knochen. Wie unappetitlich. Ein Preisausschreiben musste helfen, am Ende gewann „Duetto“.

Vor allem die Amerikaner verliebten sich in den von Battista „Pinin“ Farina gezeichneten grazilen Südländer mit dem schönen Rundheck, das ab 1970 zum Fastback wurde. Ein Traumwagen, meist in Alfarot lackiert, aerodynamisch ausgefeilt, die Scheinwerfer steckten unter futuristischem Plexiglas, in der Front saß das herzförmige Scudetto, links und rechts eingerahmt von geteilten Stoßstangen, baffi genannt, italienisch für Schnauzbärtchen. Angefeuert wurde der Hype von Benjamin Braddock, alias Dustin Hoffmann, der den Spider im Hollywoodstreifen „Die Reifeprüfung“ unsterblich machte. Stehende Pedale, ellenlanger Ganghebel, Holzlenkrad, zwei große und drei kleine Instrumente, eingelassen ins lackierte Armaturenbrett – so wurde der Klassiker zur Ikone.

Mazda MX-5 (Bauzeit: von 1989-1998)

WER WIRD MILLIONÄR?
Keiner, aber wirklich keiner dachte 1989, dass in Chicago gerade Autogeschichte geschrieben wurde. Der auf der Motorshow vorgestellte MX-5 NA war der genaue Gegenentwurf zu allem, was zu dieser Zeit Erfolg versprach. Er war klein, günstig, leicht, mit 115 PS nicht einmal besonders kräftig – und er war verzichtbar. Denn er parkte in einem Segment ein, das gerade dabei war auszusterben. Wer wollte schon noch einen Roadster?

Doch die MX-5-Nachfrage explodierte über Nacht, weil kein anderes Auto für so wenig Geld so viel Spaß machte. Rund 35.000 Mark kostete die Blaupause eines Triumph Spitfire, MG Midget oder Lotus Elan – nur in zuverlässig. Vorne die Klappscheinwerfer, dazwischen das Werf-mich-nach-hinten-Verdeck, dahinter der Heckantrieb. Der Wagen lag wie ein Brett, die fünf Gänge klackten genüsslich. Mittlerweile sind deutlich über eine Million MX-5 in vier Generationen verkauft. 

VW Käfer 1302 Cabriolet (Bauzeit: 1970 bis 1972)

FRISCHLUFT FÜR DIE GANZE WELT
Als im Januar 1980 das letzte Käfer Cabriolet bei Karmann vom Band lief, weinte die Fan-Szene. Doch weder organisierte Protestfahrten nach Wolfsburg noch Aufkleber wie „Golf Cabrio, nein danke“ konnten das Ende der Legende stoppen. 

Nach 330.251 Stück war endgültig Schluss. Angefangen hatte alles dort, wo es vor 41 Jahren aufhörte, beim Haus-Karossier Karmann in Osnabrück. 1949 wurde das Karmann-Cabriolet Typ 15 vorgestellt. Der Rest ist Wirtschaftswunder-Geschichte. Wo das Käfer Cabriolet auch hinkam, wurde es geliebt und gekauft. Mit 8.190 Mark kostete es immerhin 1.800 Mark mehr als die Limousine.

„Das 1302 Cabrio ist ein Auto für Leute mit jungem Herzen. Die romantische Version technischer Zuverlässigkeit“, schrieb Hans-Rüdiger Etzold damals im VW-Magazin „Gute Fahrt“, „selten, dass man Cabrio-Fahrer mit muffigem Gesicht antrifft.“ Warum auch? Schließlich kam der Boxer nur als 1600er mit strammen 50 PS. Die waren auch nötig, schließlich wog der nach oben offene Evergreen fast 40 Kilo mehr als sein geschlossener Bruder. Auf schweißtreibendem Skai-Kunstleder ließ sich die Welt da draußen mit Weile genießen.

Jaguar E-Type Convertible Serie 3 (Bauzeit: 1971 bis 1975)

SCHÖNHEIT IST DOCH BERECHENBAR
11 Stunden brauchte Norman Dewis im März 1961, um den neuen Jaguar E-Type rechtzeitig auf dem Genfer Salon zur Premiere abzugeben. Der Testfahrer war in der Nacht vorher mit dem allerersten gebauten Roadster von Coventry aufgebrochen und die 1.200 Kilometer durchgefahren. Den Wagen, den er am Lac Léman einparkte, werden Generationen später als Jahrhundertwurf feiern, als Stil-Ikone für die Ewigkeit. Mit ewig langer Schnauze, athletischem Körper und großen Speichenrädern mit Zentralverschlüssen. Angeblich soll Malcon Sayer, der Mann hinter den schönsten Kurven der Automobilgeschichte, das Design anhand von komplizierten Zahlenreihen errechnet haben.

Krönung der Schöpfung war für viele der Roadster der Serie 3, der 1971 mit 5,3-Liter-V-Zwölfzyinder vorfuhr. Stolze 34.500 Mark teuer. 276 PS waren nicht der Hammer, aber technisch war der Zwölfender eine Delikatesse. Der Motorblock aus Leichtmetall, in die Kolbenböden eingelassene Heron-Brennräume. Dazu ein betörender Sound. 240 Spitze lief der Jag, damit warst du ein recht einsamer King oft the Road, damals Anfang der 70er. Das Power-Paket lastete schwerer auf der Vorderachse als der Sechszylinder, was der schnellen Katze etwas an Dynamik raubte. Auch war der Typ 3 um die Taille nicht mehr ganz so schlank wie vorher und sein Haifischmaul nun vergittert. Geschenkt, der E-Type blieb bis zu seinem Ende am 12. Februar 1975 eine zeitlos elegante Skulptur. Unvergessen und prägend wie kaum ein anderes Automobil.